maechtig aufregend

wo soll ich bloss anfangen?
nach zwei wochen amerikanischem schulalltag faellt es mir enorm schwer, ordung in meine gedanken zu bringen. deshalb beschreibe ich erstmal mein grundgefuehl:
alle sind ausgesprochen nett, hilfsbereit und interessiert. das gilt fuer lehrer und schueler. es laeuft viel ruhiger ab als in unseren schulen. regelrecht entspannt und relaxt. obwohl in der highschool ueber 1000 schueler lernen.
der arbeitstag des lehrers ist laenger und vergeht schneller. 8 uhr muss jeder lehrer in der schule sein und 16 uhr darf er gehen. von 8.30 bis 15.30 dauert der unterricht. die schueler haben 4 blockstunden a 90 minuten. jeden tag die gleichen faecher. nach einem drittel des jahres aendert sich der plan und die faecher. es gibt keine festen klassenstrukturen. jeder muss eine gewisse anzahl kurse belegen und waehlt die zusammenstellung selbst. also finden wir in einer klasse mitunter schueler aus 4 verschiedenen altersstufen. das geschieht vorwiegend in den wahlfaechern wie kunst.
die lehrer unterrichten pro tag 3 Blocks. ein block ist fuer ihre vorbereitung, korrekturen usw. gedacht. jeden tag haben sie den gleichen plan. dazu kommt, dass sie immer im gleichen raum unterrichten. der ueberfluss an material, besonders in kunst, ist eine fundgrube fuer mich!
mein stundenplan:
1. design grundkurs
2. drawing (zeichnen)
3. photography 2
4. pottery (keramik)
dazwischen hab ich 2 halbe stunden pause. waehrend ich in 1, 2 und 4 mit helfe , projekte mit den lehrern ausdenke, etwas an der tafel zeige und erklaere, bin ich im foto-fortgeschrittenenkurs der absolute beginner. so muss ich genau hinschauen, hinhoeren und dann den schuelern ueber die schulter schauen. leicht gesagt, wenns in die dunkelkammer geht… doch mein erster schwarz-weiss-film ist entwickelt und die kontaktabzuege fertig. da hier jeden tag an den projekten gearbeitet wird, geht es zuegig voran. das gefaellt mir besonders! abends mache ich oft meine hausaufgaben, indem ich z.b. arbeitsblaetter uebersetze, um am naechsten tag durchzublicken, was der lehrer erklaert. dadurch hab ich inzwischen eine breite palette kunst-vokabular gelernt.
dies kam mir heute zugute, als ich mitten in der praerie an 2 grundschulen unterrichten durfte. meine gastmama kay hat eine 4. klasse und sie haben keinen kunstlehrer an der schule. also freuten sie sich riesig, mich als fachmann einzuladen. so hab ich heute vormittag in klasse 2 bis 6 im kleinen oertchen waverly mein bestes gegeben. die kinder waren ganz lieb und die lehrer haben sich entspannt zurueckgelehnt. schliesslich wollte die 10 meilen entfernte andere schule auch meine anwesenheit geniessen. also fuhr ich mit kays wagen und einem selbstgemalten strassenplan nach southshore. dort gabs gemischte klassen. klasse 1/2, 3/4 und 5/6. trotzdem waren nur zwischen 10 und 14 schueler in jeder klasse. ja, in der praerie gibt es vorwiegend felder und tiere. auf dem weg zwischen den 2 schulen hab ich ein auto getroffen. dafuer massenweise kuehe! wen sollte ich unterwegs nach dem weg fragen? zum glueck klappte es aber mit dem handgemalten zettel. wer mich kennt, weiss, wie es um meine orientierung steht. und hier ist das land flach, die strassen schnurgerade, alles sieht gleich aus.
so, nun kann ich meinen freitagabendvoller stolz geniessen. immerhin hab ich heute 9 stunden unterricht hinter mir.
auch lotti hat viele neue eindruecke in der mittelschule gesammelt. sie mag alle lehrer! kein wunder. die sind viel netter, entgegenkommender und persoenlicher als in deutschland. wirklich. das muss ich selbstkritisch ebenso an mir feststellen. selbst ich bin weniger nett zu meinen schuelern in deutschland, weniger geduldig und lange nicht so entspannt wie die 4 lehrer, die ich nun seit 2 wochen jeden tag erlebe. am ersten schultag erzaehlte jeder lehrer den schuelern alles moegliche persoenliche ueber sich, seine familie, seine hobbys, krankheiten wie ms…
das hat mich verwundert und beeindruckt. die schueler haben aber auch etwas ueber sich aufgeschrieben und preisgegeben. inzwischen finde ich diese direktheit klasse.
ausserhalb der schule ergibt sich durch bekanntschaften eine vielzahl von moeglichkeiten. nur ein paar beispiele. der 70-jaehrige nachbar lud mich zum paddeln auf dem see ein, der mathelehrer kam am samstag mit seiner harley vorbei und fuhr mich eine runde um den see (man darf in sueddakota ohne helm fahren!), lotti und ich waren mit einer familie zum ersten footballgame unseres lebens und lotti schliesslich mit der gleichen familie zu einem open air musikfestival 2 tage in sioux falls. dass wir 2 wochen unser eigenens haus am see hatten, habe ich wohl vorher schon mal erwaehnt. ab 12.9. ziehen wir wieder dorthin, da alan (der besitzer) dann wieder abreist.
ach, mir faellt gerade ein: verkaeufer sind auch netter als in deutschland! dazu folgende episode: ich bestellte an einem automaten sofortbilder(kodak, wie bei rossmann). die wollte ich als postkarten versenden. da ich keine ahnung von den inch-massen hatte, fragte ich einen typen neben mir nach der richtigen groesse. der zeigte auf den bildschirm, dann formte er die postkartengroesse mit den haenden und ich dankte. so weit, so gut! ich bestellte 22 fotos. die kamen auch – in a 4 groesse!!! ziemlich verzweifelt stand ich und wartete, waehrend ich schon mal rechnete, dass es ca. 100 dollar kosten wird. welch ein lehrgeld. naja, vielleicht sollte ich einen kalender daraus basteln oder die bilder zerschneiden und als puzzle versenden. schliesslich fasste ich mir ein herz und klaerte den verkaeufer im supermarkt ueber mein missgeschick auf. kein problem, bestellen sie nochmal, wir nehmen die fotos zurueck. das sollte mal ein auslaender bei rossmann testen.
waehrend ich hier tippe, sitzt willi im flugzeug und wird morgen nach ueber einem jahr wieder deutschen boden betreten.
jetzt setze ich meinem bericht ein schnelles ende, ich bin naemlich total muede. deshalb hab ich mir diesmal die gross- und kleinschreibung gespart.
ich verspreche euch aber, dass es bald wieder nachrichten gibt. wir verfolgen naemlich gespannt die wahlkaempfe im fernsehen und hoffen auf wenig schaeden durch die struerme an der hiesigen kueste. inzwischen koennt ihr schon mal gruebeln, was home coming fuer ein fest ist. darueber demnaechst mehr. tausend gruesse in die heimat von
*gaehn*kerstin

3 Gedanken zu „maechtig aufregend

  1. Liebe Kerstin,

    dein Bericht ist so interessant, dass amn ihn gleich mehrfach lesen möchte. Deine Zeilen erinnern mich immer wieder an die texanischen Schulen. Auch dort sind die Lehrer relaxter. Kein Vergleich zu NRW- mit 6 Stunden Vormittagsunterricht. Es ist schön, dass die Zeit in Amerika für euch eine solche Bereicherung ist. Meine Freunsdin in Texas hat auch einen eigenen Klassenraum.
    Dein Wochenende hast du dir jetzt redlich verdient. Genieße es!

    Viele liebe Grüße aus der Metropole Eupen !

    P.S. Das ist mein dritter Kommentar, bei den anderen hatte ich stets vergessen, die Wortbestätigung anzugeben.

  2. Hallo Kerstin,
    deine Schilderungen entschädigen total für das vierzehntägige Warten. Prima, dass alles gut läuft. Ich wünsche weiterhin alles Guteund viele Erlebnisse,damit wir hier unsere Neugier stillen können.
    Liebe Grüße
    Veli

  3. Liebe Kerstin,
    schön mal wieder was von dir zu hören, in unserem gestressten Schulalltag tut das echt gut.
    Genieße diese Zeit so lange du kannst und lass uns weiter daran teilhaben.
    Liebe Grüße von
    yvonne

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