Da wir wieder im Nachbarhaus wohnen und ueber reichlich Internet verfuegen, gibts auch wieder was zu lesen. Nach 6 Wochen amerikanischem Leben haben wir eine Reihe Unterschiede zusammengetragen. Die Reihenfolge ist voellig willkuerlich und folgt allein meinen Aufzeichnungen im Notizbuch.
1. Das Essen: Es besteht zu grossen Teilen aus vorgefertigten Produkten. Kochen mit frischen Zutaten ist eher die Ausnahme. Getraenke liebt man immer mit Eiswuerfeln oder aus dem Eisschrank. Die 3 wichtigsten Zutaten sind Zucker, Salz und Eiswuerfel und sie sind fast in jedem Produkt gleichzeitig enthalten! Da dies nun nicht so super gesund ist und man das hier ja laengst erkannt hat, verkauft man „fake“ Produkte, also Ersatz, der so schmeckt, als ob. Die Butter besteht nicht aus Butter, sondern mindestens aus 10 anderen Bestandteilen. Es gibt Milch, Kaese und Joghurt mit 0 Prozent Fett. In der Backmischung fuers Sauerteigbrot (ich wollte doch so gern mal ein deutsches Brot backen) ist Milchpulver und Zucker drin. Leider schmeckt man das auch. Zucker wird durch Suessstoffe ersetzt. Ein Mittagessen in der Schule besteht oft aus einem Hamburger, einer kleinen Milch, Tuetensalat oder Dosenobst und immer aus Chips! Die fehlen nie! Man kann das alles essen, es schmeckt auch, aber es macht nicht satt! Daher trifft man in Abstaenden alle Familienmitglieder nach dem Dinner in der Kueche wieder. Wir machen da voll mit! Es gibt dann Eiscreme, Popcorn, Chips mit Salsa oder einen suessen Kakao. Da wir die Anzeige der hiesigen Waage nicht verstehen, wissen wir ueberhaupt nicht, wie viel wir im Moment wiegen…
2. Bewegung: Prinzipiell wird jede Strecke mit dem Auto gefahren. Laufen und Rad fahren zaehlt schon als Sport. In der Mittelschule haben die Schueler jeden Tag Sport. Das sind z.B. Tennis, Bowling, Golf, Basketball oder Volleyball. Ziel ist, dass jeder fuer sein Leben als Erwachsener eine nette Freizeitbeschaeftigung findet. In der High School trainieren dann die Schueler auch nach der Schule fuer die zahlreichen Wettkaempfe, vor allem im Football. Footballspiele sind ein staendiges Stop-and-Go, weil das Spiel ja stets unterbrochen wird, wenn der Ball den Boden beruehrt. So richtig Bewegung habe ich da selten gespuert. Aber jede Schule, und sei sie noch so alt, hat eine glaenzende Turnhalle mit Zuschauersitzen und allem Komfort.
3. Schule: Viel ruhiger als bei uns, viel hoeflicher, weniger distanziert. Zu Beginn des Schuljahres bekam jeder Lehrer eine Begruessungsbrief nach Hause geschickt. Darin stand sinngemaess Herzlich Willkommen zurueck und der Plan fuer die Vorbereitungswoche. Als Advisor ist jeder Lehrer wie ein Klassenlehrer bei uns fuer „seine“ Schueler zustaendig. Von der Schulhomepage Kann man sich die Namen seiner Schueler mit Foto ausdrucken und so geniale Sitzplaene erstellen. Der Stundenplan ist fuer jeden Tag der gleiche, im Unterricht kann man Kaugummi kauen, ist aber still, sobald der Lehrer spricht. Wenn er dann die Aufgabe erklaert hat, bewegen sich ganz langsam einige Schueler und beginnen. Manche starten nach 5 Minuten und schauen erstmal, was die Mitschueler so machen. Der Lehrer wartet, erklaert hoeflich und geduldig auch ein zweites Mal die Aufgabe. Wenn man einen Test verhauen hat, darf man ihn ein zweites oder drittes Mal wiederholen. So haben meist alle Schueler recht gute Noten. Dabei ist A die beste und F durchgefallen. Lotti empfindet die Anforderungen in der 8. Klasse als leicht. Denk- und Anwendungsaufgaben sind selten. In der Highschool entspricht der Kunstunterricht aber meinen Vorstellungen und ist anspruchsvoll. Allerdings haben die ausgiebigen Wiederholungen und uebersichtlichen Schritte mir sogar den Fortgeschrittenenkurs Foto ermoeglicht. Und das, obwohl ich null Ahnung hatte und mir saemtliches Fachvokabular uebersetzen musste. Wer also willens ist, etwas zu leisten, kann das auch schaffen. Vor und nach dem Unterricht kann man zu jedem Lehrer kommen und etwas nacharbeiten, fragen, ueben. Schliesslich ist die Anwesenheit des Lehres eine halbe Stunde vor und nach dem Unterricht Pflicht. Die Schule beschaeftigt ausserdem eine Krankenschwester und einen Police-Officer. Will ein Schueler waehrend des Unterrichts auf Toilette oder ins Sekretariat, erhaelt er einen Laufzettel vom Lehrer und kann sich so bei einer Kontrolle durch den Officer rechtfertigen, dass er den Klassenraum verlassen hat. In den Klassenraeumen sind Telefone und Lautsprecher (man laeuft ja nicht!). Die Telefone klingeln oft auch im Unterricht. Dann wartet die Klasse still, bis der Lehrer telefoniert hat, oder ein Schueler muss selbst ans Telefon.
Am letzten Freitag war ich zum Home Coming in den 2 Dorfschulen. Der Sinn dieser Tradition ist es, ehemalige Schueler in der Schule mit einem Umzug zu begruessen. Deshalb wird eine Woche lang jeden Tag etwas Besonderes veranstaltet und am Freitag findet eine Parade mit verrueckt bemalten und umgebauten Fahrzeugen statt. Jede Klasse hatte ein Fahrzeug. Ich durfte mit den Drittklaesslern mitfahren. Es war wie zum Faschingsumzug, als die Schulband spielte, die Cheerleader tanzten und wir (kostuemiert) Suessigkeiten in die Zuschauer warfen. Waehrend das in den zwei kleinen Doerfern schnell vorueber war, bin ich nun auf die Woche an der High School gespannt.
4. Verkehr: Auch der laeuft ruhiger ab als bei uns. Die Verkehrsregeln erschliessen sich mir langsam, sind aber doch verschieden. Da man in Sued Dakota bereits ab 14 in Begleitung eines Erwachsenen fahren darf und ab 15 allein, sind die Autofahrer oft sehr jung und unerfahren. Jakob kutschiert uns oft und es ist ein ganz seltsames Gefuehl, neben ihm zu sitzen. Die Fahrpruefung besteht aus 25 Fragen, von denen man 5 falsch haben darf. 8 Dollar bezahlen, Kreuzchen setzen und fertig. So gemeine Dinge wie in Deutschland (2 moegliche richtige Antworten) gibt es nicht. Eine praktische Pruefung findet nicht statt. Dementsprechend fahren viele ohne zu blinken und nicht in ihrer Spur. In der Kurve die Spur zu halten, ist eher eine Seltenheit. Aber die Strassen sind hier so breit, dass genug Platz fuer alle ist und Angst im Strassenverkehr hatte ich bisher noch nie. Am Freitag durfte ich mit dem Schulbus mitfahren. Der hat hier immer Vorrang und steht sozusagen unter Naturschutz.
5. Vermischtes: Zwischen den meisten Haeusern gibt es keine Zaeune und ueber das Nachbargrundstueck zu laufen, ist voellig legitim. Fernseher sind allgegenwaertig und laufen bereits, wenn wir aufstehen und immer noch, wenn wir zu Bett gehen. Sie laufen auch, wenn alle schlafen oder fuer mehrere Stunden weggefahren sind. Sie laufen in jedem Wartezimmer beim Arzt und im Klassenraum ist natuerlich auch einer. Fuer alle Faelle! Als ich vor dem Unterricht etwas vorbereitete, fragte mich die Kunstlehrerin, ob sie mir den Fernseher anschalten solle… TV- Werbung wird zum groessten Teil fuer Medikamente betrieben. Filme werden mehrmals nacheinander gezeigt, falls man den Anfang verpasst hat! Ein weiterer Energiefresser sind die Klimaanlagen(im Haus, im Auto, im Supermarkt, im Restaurant, in der Schule und allen oeffentlichen Gebaeuden). Oft sind sie noch auf maximal gestellt. Es ist mir unerklaerlich, wie die Leute das hier in Shorts und kurzaermelig aushalten und wie sie dann obendrein Getraenke mit Eiswuerfeln trinken koennen. Lotti und ich haben trotz unserer Jacken fast immer gefroren. Vielleicht ist der hiesige kurze Sommer schuld, dass einige noch bei Null Grad in Flip Flops und kurzen Hosen gehen. Die Sommerferien dauern 3 Monate. Kurz vor Schulstart beginnt die Werbung fuer „back to school“. Das ist neben Weihnachten der groesste Umsatz fuer den Handel. Es wird fuer neue Kleidung, Schulsachen, Laptops u.v.a. geworben. Da die Schueler zu Beginn jedes Schuljahres in neuen Teams zusammentreffen, ist das Aussehen am ersten Schultag enorm wichtig fuer viele.
Zu Beginn meines Aufenthaltes war ich erstaunt ueber die kostenlosen Freizeitmoeglichkeiten wie Parks, Sportanlagen (z.B.Tennis- oder Golfplaetze), Spielplaetze, Shuttle-Busse, Radwege u.a. Eine Menge Familien haben hier drei Kinder. Durch Zufall bekam ich mit, dass es allerdings nur 6 oder 12 Wochen Mutterschutzurlaub gibt. Danach gehen die Frauen oft wieder arbeiten und geben das Kind einer Tagesmutti, damit sie ihren Arbeitsplatz behalten. Manche arbeiten bis zum Ende ihrer Schwangerschaft, wenn es ihnen gesundheitlich gut geht. Das hat mich doch etwas geschockt, aber die 2 Lehrerinnen, mit denen ich darueber geredet habe, fanden das ganz normal. In der Schule dauert ihre Arbeitszeit immerhin von 8 bis 16 Uhr, das verdiente Geld geht fuer die Kinderbetreuung drauf. Am Dienstag bin ich als Gast zu einem PEO-Treffen eingeladen (philatropical education organisation). Dort werden nur Frauen sein und ich werde mit Sicherheit ein paar neugierige Fragen zum Thema Soziales loswerden.
So, lieber Leser, ich mach jetzt eine italienische Pizza fuer meine amerikanischen Freunde, nachdem ich sie gestern fuer eine Chinapfanne begeistern konnte. Herbstliche Gruesse an meine treuen Leser in Deutschland, Litauen, Daenemark, Venezuela und Belgien. Ich freue mich ueber jeden Kommentar. Traut euch einfach! Das wuenscht sich
Kerstin
Andere Länder-andere Sitten ! Mir ist nun völlig klar, warum die Amis in Bärnsdorf Horror vor den Wanderungen in der Sächsischen Schweiz haben. Die meisten sind danach völlig fertig.
Auch die anderen Dinge decken sich mit meiner Bärnsdorf Experience.Für die Waage ein Tip lb(1Pfund)=450g, 1st(1stone)=14lb=6,34kg. Vielleicht bringt das Klarheit.
Liebe Grüße
Veli
Als wir heute mal wieder in der Hoy vorbeigefahren sind haben wir überlegt was Ihr wohl so macht und wie es „drüben“ so geht. Schön, mal wieder was zu lesen.
Wir sind so langsam in den neuen vier Wänden angekommen 🙂
Liebe Grüsse von den Klees