Obwohl dieser Reisebericht unsere letzten Erlebnisse in Amerika reflektiert, schreibe ich dies zuerst, weil es mir am leichtesten fällt. Die Eindrücke aus der letzten Woche an der High School habe ich noch nicht alle verarbeiten und ordnen können. Sie sind so zahlreich, dass ich dafür noch ein wenig Zeit benötigen werde.
Samstag, 27. September: Der Tag begann schweigsam und traurig. Nach 8 Wochen fiel es uns schwer, in Sioux Falls von Rich und Jakob Abschied zu nehmen. Kay sagten wir bereits am Tag zuvor Goodbye, da sie übers Wochenende verreiste. Rich brachte uns zur Autovermietung am Flughafen und war mir eine große Hilfe beim Abschluss einer sinnvollen Unfallversicherung. Schließlich mieteten wir noch ein GPS zur besseren Orientierung. Da ich mich erstmal mit unserem Gefährt, einem nagelneuen Mazda 6, vertraut machen musste, hatte ich wenigstens eine kleine Ablenkung. 4-5 Stunden Fahrt lagen vor uns. Ziel Minneapolis. Die Highways waren oft wie leergefegt, Lotti programmierte das GPS und lotste mich in den Nachbarstaat Minnesota. Das Gerät funktionierte leidlich, aber der Bildschirm klappte ständig herunter, so dass wir nix sehen konnten. Bis zur Metropole konnte ich das neue Fahrgefühl genießen. Wer meinen 18-jährigen Ford kannte, weiß, welche Art Autos ich normalerweise benutze…
Das Auffahren und Spurenwechseln in Downtown Minnesota brachte mich nah an den Herzstillstand. Ein Gewirr der Interstate (Autobahn), oft vierspurig, ließ mich jegliche Orientierung verlieren. Aber wozu hat man Kinder? Lotti lotste mich siegessicher zu unserer ersten Bleibe, die sich als nobles Hotel mit Fitnessstudio entpuppte. Rich hatte für mich im Internet Restpostenzimmer gesucht. Dabei bekommt man mit etwas Glück dann eine 250-Dollar-Suite für 50 Dollar, mit Flachbild-TV, Kaffemaschine, Mikrowelle und Popcorn. Alle unsere Unterkünfte waren top, deshalb kann ich die Hotelsuche über www.priceline.com nur weiterempfehlen. Eine 35 €-Übernachtung für 2 Personen mit Frühstück hätte ich nicht einmal im billigsten Motel bekommen.
Am Abend fuhren wir mit einer Art S-Bahn mitten in die City. Zwischen Wolkenkratzern, Lichtreklame, Türstehern und Cocktailkleidern pulsierte der Samstagabend in der Hauptstadt. Das war das völlige Gegenteil nach der Ruhe der weiten Prärie. Wie in einem schlechten Film passierte dann vor unseren Augen noch ein Auffahrunfall mit Verletztem. Polizei, Krankenwagen, Feuerwehr und schrille Sirenen waren der letzte Eindruck, bevor wir in die Bahn stiegen.
Sonntag, 28.September: Mit dem Auto fuhren wir zur MOA, der Mall of America. Dies ist das weltgrößte Einkaufszentrum mit Vergnügungspark im Inneren. Alles überdacht! Lotti ließ mir eine Einweisung zur besseren Orientierung angedeihen, da sie hier bereits einmal mit Freunden war. Ich weiß nicht mehr, wie viele Stunden laufen-kaufen-schauen am Abend hinter uns lagen. Jedenfalls entschieden wir uns, das Fitnessstudio des Hotels zu nutzen und anschließend mit Popcorn im Bett vor dem TV zu landen. Dabei hatten wir kein schlechtes Gewissen, denn Fernsehen in Amerika war ja stets Sprachunterricht für uns!
Montag, 29.September:Die Reise nach Norden verging schnell und führte uns durch herrlich gefärbte Wälder. Duluth empfing uns mit einem sonnigen Blick auf den Lake Superior. Schnell war klar, dass wir den Skyline Drive entlangfahren mussten. Von dieser Bergstraße aus hatten wir fantastische Aussichten auf die Stadt und den riesigen See. Seine Fläche ist so groß wie mehrere Staaten zusammen. An seinem Ufer fühlt man sich wie am Meer und kann über laaaaaaaaaaaange Brücken sogar in den Nachbarstaat Wisconsin fahren. Das viele im-Auto-sitzen konnten wir am Abend mit einer Stunde Schwimmen im Hotelpool ausgleichen.
Dienstag, 30.September: Das anhaltend schöne Herbstwetter ließ uns alle angepriesenen Sehenswürdigkeiten in der City vergessen und wir starteten zu einer Küstenfahrt. Am Abend hatten wir 140 Meilen zurückgelegt! Ein Leuchtturm, die Hafenstadt Two Harbors, die Wasserfälle im Gooseberrys Falls Park, Duluth bei Nacht, ein Abstecher nach Wisconsin und mehrfache Fahrten über die 3 großen Brücken brachten so viele schöne Eindrücke, dass kein Museumsbesuch das toppen konnte.
Mittwoch, 1.Oktober:Dieser Tag war entschieden ruhiger, denn unser nächstes Ziel, St.Cloud, entpuppte sich als Kleinstadt. Als Besonderheit fielen uns die Fußgänger und Radfahrer auf. Grund dafür ist die Universität in der Stadt, die eine Menge Studenten in die Stadt bringt. Im Riverside Park sah ich endlich mit eigenen Augen den Missisippi, welchen ich seit meiner Kindheitslektüre von „Tom Sawyer“ nur als verklärtes Bild in Erinnerung hatte. Mit der richtigen Blickrichtung konnte man ein romantisches Delta ins Auge fassen. Mitten in der Stadt hatte allerdings die Gegenwart ihre Spuren am Fluss hinterlassen.
Donnerstag, 2. Oktober: Unsere letzte lange Autofahrt führte uns durch Pipestone. Das war mehr dem Umstand geschuldet, dass das GPS seinen eigenen Willen durchsetzen wollte. Aber den Namen Pipestone hatte ich schon mehrfach gehört. Da musste irgendetwas Berühmtes sein. So überredete ich Lotti, dass wir in den Ort fahren. Das Pipestone National Monument war ausgeschildert. Allerdings suchten wir bei „Monument“ zuerst nach etwas Hohem. Nichts zu sehen. Überall flaches Land. Schließlich ließ ich mich im Nationalpark aufklären: das Monument ist ein im Original erhaltenes Stück heiliges Indianerland. Versunken in der kargen Graslandschaft wächst rotes Gestein mit einem Wasserfall aus der Erde. Hier wurde der Pipestone (Pfeifenstein) für die Friedenspfeifen abgebaut, ein weiches Material ähnlich dem Speckstein. Hier mussten die Indianer als Mutprobe über eine Felsschlucht springen, hier beteten sie an einem Felsenkopf ihre Götter an. Lotti wollte die Romantik des Ortes allerdings nicht genießen und stürzte hektisch durchs raschelnde Gras. Tausende Grashüpfer querten unseren Weg. Wenn wir sie fast berührten, flogen sie davon und sahen aus wie Schmetterlinge. Ein Naturschauspiel, das in manchen Sommern verheerende Folgen hatte: kahlgefressene Wiesen und Bäume. Wie eine schwarze Wolke können diese Tiere über das Land einfallen und ein wahres Horrorszenario entfalten. In Watertown hatte ich bereits drei Kinderbücher über die ersten Siedler in der Prärie gelesen. Pipestone war nun ein lebendiges Beispiel dafür. Um Lotti für die ausgestandenen Grasshopper-Ängste zu entschädigen, durfte sie auf dem Highway in Süddakota noch ein letztes Mal hinter das Steuer und Auto fahren. In diesem Staat war ihre Fahrerlaubnis wieder gültig. Es ist der einzige Staat, in dem Kinder ab 14 in Begleitung von Erwachsenen Auto fahren dürfen. So erfüllte ich ihren Wunsch und auf dem leeren Parkplatz vor der Mall in Sioux Falls übten wir bis zur Dämmerung einparken. Am letzten Abend nutzten wir nochmal unseren Hotelpool . Da wir immer die einzigen Gäste im Wasser waren, konnten wir wieder richtig Blödsinn machen und hatten eine vergnügliche Stunde.
Freitag, 3.Oktober: Wir gaben das Auto am Flughafen zurück und wollten einchecken. Eigentlich ahnten wir schon lange, dass unser Gepäck zu schwer sein würde. Aber genau wussten wir es erst, als der lustige Flughafenangestellte meinte: Kein Koffer über 50 pound! So nutzten wir unsere Reservezeit und packten in aller Ruhe um. Von den jeweils 49,9 pound nach dem ersten Versuch war unser Beamter schwer beeindruckt und meinte, dies hätte uns 100 Dollar Ersparnis gebracht! Die gesamten Rückflüge verliefen ruhig und auf dem Flughafen in Chicago hatten wir dieses Mal sogar Zeit zum Bummeln, weil wir nicht auschecken mussten. Im Flieger nach Frankfurt unterhielten wir uns noch mit dem netten Kanadier neben uns und schauten non stop Filme in deutsch, englisch und französisch. An Schlaf war kaum zu denken, dafür war die Vorfreude auf das Wiedersehen mit unseren Lieben viel zu groß. Überpünktlich landeten wir am 4. Oktober 8 Uhr in Dresden. Mein Schatz ist nun nach 9 langen Wochen Wartezeit erlöst und Willi habe ich nach 13 Monaten trotz einiger Veränderungen wiedererkannt. Jetzt gibt es natürlich eine Unmenge zu erzählen!
Es ist schoen dass alles so gut geklappt hat. Ich habe gewusst, dass ihr Minnesota gut gefunden wuerde. Es ist auch einen wunderschoenen Staat. Duluth ist besonders schoen. Wir werden gerne dorthin wiederfahren. Wir haben zur Zeit drei Tage Regen, kein schoenes Wetter. Diese Woche wird kaelter und dieses Wochenende kommt Michael fuer Herbstferien nach Hause. Wir freuen und ihn wiederzusehen. Ich war gestern Jagen und ich habe drei Pheasanten geschossen. Ein guter Tag! Alles Gute! Rich