Diese Frage habe ich in den letzten Wochen nicht nur einmal gehört. Deshalb schreibe ich einfach wieder darüber, womit ich in den letzten Monaten meine Zeit totgeschlagen habe. Zuerst würde ich totschlagen gern durch genießen ersetzen, denn ich fühle mich bei all den Aktivitäten noch immer sehr lebendig!
PROJEKTE
Die Steinzeit ist noch nicht zu Ende, denn seit kurzem arbeite ich in einem Bildhauerseminar der Lukaskirche mit. Wir werden von Profi-Künstlern betreut und es ist sowohl geistig als auch körperlich eine heftige Herausforderung für mich. Der Stein, den ich momentan behaue, ist über einen Meter hoch und nur 2 starke Männer bewegen ihn mit Mühe vom Fleck. Meine Freitage und Samstage sind damit ausgefüllt, den Giganten in eine Form zu zwingen. Sonntags pflege ich dann meine geschundenen Hände und nach einer Woche sind Blasen und Schürfwunden auch wieder verheilt.Im Webalbum Sandstein habe ich die aktuellen Fotos hinzugefügt.
Ganz heimlich und schleichend habe ich auch wieder begonnen zu unterrichten…Theater, Kunst und Deutsch:
Ein Projekt hat mich gepackt: „Sweet 16“. Im Februar begann ich mit der Hälfte von Lottis Neunter Klasse ein selbstgeschriebenes englisches Stück einzustudieren.Wir probten wöchentlich und sie drehten zu den Projekttagen einen Kurzfilm, der zum Bundesfremdsprachenwettbewerb eingeschickt wurde. Vor 2 Wochen gab es dafür den ersten Platz in Sachsen. Mit der Auszeichnung, respektablen Preisen und einem Buffet im Sächsischen Landtag war es jedoch noch nicht getan. Der Film musste als Theaterstück umgearbeitet und einstudiert werden, weil unsere Gruppe Ende Juni in Wiesbaden zum Endausscheid antreten darf. Mit den 40 besten Gruppen aus ganz Deutschland kämpfen wir um den Bundessieg. Das wird mächtig spannend und ich halte euch natürlich über den Ausgang dieses Wettbewerbs auf dem Laufenden. Mir persönlich macht die Theaterarbeit ja schon immer viel Freude, doch der Videodreh war etwas völlig Neues für mich und die Schüler sind so engagiert, dass diese freiwillige Arbeit das reinste Vergnügen für mich ist.
Meinem Papa habe ich eine Woche lang am Computer die Digitalfotobearbeitung beigebracht.
Später bekam ich die medizinische Facharbeit meiner Schwägerin zum Korrekturlesen und durfte die Schautafeln für die Präsentation gestalten.
Eine meiner Nachbarinnen ist Polin. Wir treffen uns öfter zu einer Deutschstunde auf meinem Balkon. Manchmal werden es auch zwei und ich erfahre so nebenbei Einiges zur Landeskunde.
KULTUR
Wenn ich gerade niemanden unterrichte, ist Zeit für Kultur. Wer meint, die Jugend würde nichts von der deutschen Sprache halten, sollte wie ich mal zum Poetry Slam gehen. Sehr kreative Kurzgeschichtenerzähler ziehen das Publikum mit Fantasie UND ideenreicher Sprache in ihren Bann. Am Ende des Abends wird vom Publikum abgestimmt, wer gewinnt. In der Scheune gibts dafür Karten, im Lingnerschloss ist regelmäßig ausverkauft. Erstmals war ich dieses Jahr in der Saloppe, zum Konzert von Annamateur (sehr stimmgewaltig, einfallsreich und tiefsinnig) sowie gleich darauf zur Dirty Dancing Night (kultig und lustig). Im Alten Schlachthof beeindruckten mich die Whise Guys und das Kurzfilmfest im Metropolis lasse ich in keinem Jahr aus. Meine letzen Bücher waren:
„Die Leber wächst mit ihren Aufgaben“ (Hirschhausen/Unterhaltung),
„Wer bin ich und wenn ja wie viele“ (Precht/Philosophie),
„Simpel“(von einer Französin/Autismus,Lottis Französischlektüre)
„Die Verirrungen des Zöglings Törless“(Musil/Entwicklungsroman und Lottis Deutschlektüre)
Letzteres habe ich nur aus Neugier gelesen, ob mein Kind die Geschichte auch so schrecklich findet wie ich. Und – man staune – trotz des akrobatischen Satzbaus und des abstoßenden Themas traf es den Nerv eines Teenagers und bescherte uns regelrechte literarische Debatten.
SPORT
Neben Kultur ist Sport wichtig für mich. Meine Aktivitäten bestehen vorwiegend aus Rad fahren, Gymnastik und Schwimmen. Wieder neu dazugekommen ist – dank eines Geburtstagsgeschenkes – Inlineskaten. Willi ist gerade dabei, mit mir ganz behutsam das Bremsen zu trainieren. Also, falls ihr mir an der Elbe begegnet: Bitte gebührend Abstand halten!
Das letzte lange Wochenende war ich mit Freunden in den Alpen in Österreich. Die Besteigung des Gletschers war so anstrengend für mich, dass ich die tolle Sicht mitunter nicht genießen konnte, weil ich oft verzeifelt an den steilen Rückweg dachte. Wobei „Weg“ nicht das rechte Wort für die Stein- und Schneewüste ist. Nein, Bergtouren sind nicht mein Ding. Meine Oberschenkelmuskeln krampften drei Tage so fürchterlich, dass ich nur mit schmerzverzerrtem Gesicht die Treppen zu unserer Kammer auf der Alm erklimmen konnte. Für die Almhütte ohne elektrisches Licht, unsere fürsorglichen Wirtsleute, Jagertee, Kasnockerln und Gamsgulasch konnte ich mich jedoch begeistern. Auch das sonnige Wetter, der Fund eines Bergkristalls und die Geburt eines Kälbchens kurz vor unserer Abreise haben mich mit den Bergen letzendlich wieder versöhnt.
REISEN
Klar, die Alpen. Und Wiesbaden erwähnte ich schon.
Übermorgen gehts ein paar Tage nach Weimar, wohin uns ein Freund eingeladen hat, der dort das Labyrinth-Hostel (www.weimar-hostel.com)eröffnet hat. Jedes Zimmer wurde von einem anderen Künstler gestaltet. Außerdem war ich vor der Revolution das letzte mal in Weimar, ein Grund mehr für einen Besuch.
BESUCH
Besuch haben wir oft, in letzter Zeit übernachteten wieder Couchsurfer (www.couchsurfing.com) bei uns, aus China,Kanada und England. Außerdem konnte ich eine Woche mit meinem Gastpapa Rich und dessen Sohn Jacob verbringen, die zum Schüleraustausch in Dresden waren. Auch einige Schüler der High School, bei denen ich letztes Jahr in Watertown unterrichtete, waren dabei.Die Wiedersehensfreude war so groß wie der Abschiedsschmerz.
Während Lotti französische und peruanische Austauschschüler mit nach Hause brachte, organisierte Willi das Angrillen in unserem Hofgarten für die Dresdner Couchsurferbande.Zunächst hatten 20 Leute Interesse bekundet, schließlich waren es über 60! Sie brachten wirklich alles Notwendige mit, bis hin zu Stühlen, Geschirr und Grills. Dass Dresden so international ist, hätte ich nicht vermutet, denn auf engstem Raum trafen sich Polen, Chilenen, Spanier, Amerikaner, Belgier, Tschechen, Australier, Bulgaren – der Rest fällt mir nicht mehr ein.
FAZIT
Es gibt stets mehr Ideen als Zeit. Wenigstens bei mir ist das der Fall.
Wenn einem dann mal nix Spektakuläres mehr einfallen sollte, kann man sich immerhin mal auf dem Balkon sonnen, bei Regenwetter bis Mittag schlafen und für die Kinder was Leckeres kochen. Aber ehrlich gesagt, habe ich das nie länger als drei Tage mit Vergnügen getan. Mit Kopf und Hand etwas Neues ausprobieren ist mein innerer Antrieb.