Einen Tag nach Willis Ankunft in Wellington haben wir einen Tagesausflug mit drei Zwischenstopps geplant. Die äußerste Spitze der Nordinsel, eine Seehundkolonie und eine kleine Wanderung auf Privatland. Letzteres, weil uns die Landschaft auf dem Foto im Reiseführer gefällt und weil wir nicht nur im Auto herum kutschieren wollen.
Zunächst verlassen wir die Hauptstadt und erklimmen mit unserem Silberpfeil die Höhen. Während ich wie gebannt auf die sagenhaften grünen Berge schaue, am liebsten jeden Ausblick auf Fotos festhalten möchte, muss Willi mit unserem Daily – Deal – Gefährt zahllose Kurven auf dem engen Highway meistern. Nach fünf Jahren so gut wie ohne Fahrpraxis, mit einem betagten Wagen,der nach links zieht und dessen Gaspedal beim Anfahren öfter klemmt.
Ich verzichte aufs Konservieren der Bilder, denn der neuseelanderfahrene junge Mann neben mir versichert mir : Das siehst du jetzt noch drei Wochen, da ändert sich nicht viel an den Bergen.
Lindgrüne, sanft abgerundete Berge mit Wiesen, die wie ein weicher Teppichboden einer Modelleisenbahn wirken. Wollige Schafe und Kühe in allen erdenklichen Farben scheinen hineingestreut in dieses Paradies. Sie bewegen sich kaum. Warum auch? So viel Platz zum Grasen, da muss kein Nachbar zur Seite geschubst werden.
Inzwischen holpern wir über eine Gravel Road, eine unbefestigte Straße. In Australien hieß es auch Dirt Road. Meine Freundin amüsierte sich einmal köstlich, als ich in ihrer Gegenwart von einer dirty road erzählte. Schmutzige Geschichten!
Die Anfahrt zur privaten Farm ist endlich geschafft. Für fünfzehn Dollar pro Person dürfen wir ein wenig wandern. Aber der Besitzer schwingt sich erst mal auf sein Motorbike und bedeutet uns, ihm mit dem Auto zu folgen. Am Waldrand parken wir. Dann bekommen wir eine kopierte Wanderanleitung mit Punkt eins bis zwanzig sowie den Hinweis, uns nach der Rückkehr wieder bei ihm zu melden und-ja das wäre nett – den kleinen Obolus zu bezahlen.
Ob wir auf Wasser eingerichtet wären, fragt er noch. Naja, ich kann meine Schuhe ausziehen und die Hosen hochkrempeln. Hmm, ihr werdet nass und am Ende ist das Wasser manchmal so tief, dass man schwimmen muss.
Patuna Chasm Walkway, soll ne schöne Landschaft sein, stand im Reiseführer. Zwei bis vier Stunden Wanderweg. Er übertreibt bestimmt, denke ich mir. Von seinem Englisch verstehe ich die Hälfte und verlasse mich auf Willi. Der hat auch nicht jedes Wort übersetzen können, doch wir machen uns auf den Weg durch einen ziemlich unspektakulären Wald und über Weideland mit Schafen und Kühen. Die Bäume sind mit blauen und roten Pfeilen angesprayt, ab und zu ein roter Holzpflock mit einer Nummer. Folgsam lesen wir die Wanderanleitung. Aha, dies ist die giftige Pflanze, die wir auf keinen Fall berühren sollen, sie verursacht böse Wunden.
So langsam müssen wir schmunzeln und fühlen uns bisschen wie die Pfadfinder. Einmal durchqueren wir den Fluss, es ist kalt, aber nicht zu tief.
Mit dem Spaten sind Stufen in den Hang gestochen worden.
Und wieder stehen wir am Fluss. Es ist eher ein Gebirgsbach. Wir lesen die Anleitung und Willi übersetzt. Ja, der Wanderweg führt IM Bach
ENTLANG.
Wir entschließen uns, die Schuhe zu opfern und behalten sie an. Das Wasser ist eisig, doch ein verlockender Canon mit bizarren Felsen schließt es ein. Nach wenigen hundert Metern gewöhnen wir uns an die Kälte, staunen und fotografieren. Die Wassertiefe variiert, wir halten uns an den Felswänden fest, wenn es gar zu rutschig wird. Nach einer halben Stunde Kneipp-Kur reicht das Nass bis zum Hosenboden und wir vermuten, wir haben uns geirrt. Alles wieder zurück waten. Nun finden wir einen Zulauf, klettern ihn bergauf und kommen wieder auf den rechten Weg, treffen ein älteres Paar und wandern gemeinsam ein Stück über idyllische Hügel. Die Wege werden steiler, wir hangeln an Seilen entlang und klettern schließlich senkrecht eine Aluleiter in den Canon hinein. Knietiefes Wasser. Ich beobachte die älteren Herrschaften mit Hochachtung. Vorsichtig, aber unerschrocken steigen sie mit Knöchelschuh und Jeans in den kalten Bach. Wir realisieren, dass wir die gleiche Strecke nun in umgekehrter Richtung bewältigen sollen.
Nicht lange, da stehen wir an der gleichen tiefen Stelle. Willi trägt den Rucksack mit Kameras und Handy. Den wollen wir auf keinen Fall versenken! So schlägt der 26-Jährige der 50-Jährigen vor, von einem zweieinhalb Meter hohen Felsen zu springen. Ich lehne ab, weil ich Angst vor verzerrten Fußgelenken habe und hier niemals ein Rettungshubschrauber für mich landen kann. Dann musst du durchs Wasser, spricht der Sohn zur Mutter.
Mit den Gummisohlen suche ich Halt am Felsgestein unter Wasser, rutsche ab und tauche bis in Brusthöhe unter. Mit wenigen Schwimmzügen wieder an Land. Für Willi steht die Entscheidung fest, er springt.
Den Rest des Weges kennen wir ja schon.
So eine Soft-shell – Jacke wärmt doch ganz gut, wenn sie nass ist, finde ich.
Wir müssen lachen über die Naivität, mit der wir diese Tour begonnen haben. Ich patsche triefend nass durch die gleiche Stelle, die ich vor über vier Stunden barfuß und mit Schuhen in der Hand vorsichtig ertastet habe.
Der Farmer freut sich und liest sicher so einige Erlebnisse von unseren Gesichtern ab. Diese Touristen aber auch!
Wechselsachen haben wir nicht mit. Mein Sitz im Auto saugt sich langsam voll und ich bin dankbar für etwas Wärme. Aber vor allem dankbar, dass mich Willi durchs Wasser geschickt hat und ich nicht gekniffen habe. Allein wäre ich umgekehrt. Und wenn wir gar den Reiseführer vorher richtig studiert hätten, dann hätten wir bemerkt, dass wir keine geeignete Ausrüstung besitzen und wären nie losgewandert!
Die Seehunde und das Kap müssen heute auf uns verzichten.
Ein Abenteuer reicht für diesen Tag
Na ihr macht ja Sachen!!!! Zum Glück ging alles gut. Und normal wandern kann jeder.
Wir sind zurück aus Rom und überwältigt.Die Arbeit hat mich jedoch gleich wieder (Hospitation, Halloweenfest mit deinen Laufzetteln).Ich muss deinen Blog erst mal in Ruhe lesen.
Liebe Grüße an Willi
Veli
Ja, Rom ist faszinierend! Danke für die Grüße und viel Erfolg mit deinen bewährten Projekten.