Diese Frage wird mir zwar seltener gestellt als in meinem letzten freien Jahr, aber manch einer kann sich wahrscheinlich wirklich schwer vorstellen, was man mit soooooooooooo viel Zeit anfängt, wenn man nicht auf Arbeit gehen muss.
Deshalb einfach mal ein Post dazu, was ich zu Hause anstelle, wenn ich nicht verreist bin.
LESEN
Die Winterzeit ist denkbar günstig, sich mehrere Stunden am Tag in fremde Welten zu versenken. Eine Kanne Tee, Kuscheldecke und ab auf die Couch. Natürlich nicht, bevor ich bei guten Freundinnen oder in der Bibo die entsprechende Lektüre geliehen hab. Hier ein kleiner Einblick in die letzten zwei Monate:
Rachel Joyce „Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry“ (ergreifend, nachdenklich)
Lelord „Hectors Reise oder die Suche nach dem Glück“ sowie der Zeit und der Liebe (kurzweilig,klug)
Mankell „Die italienischen Schuhe“ (fesselnd)
Adler Olsen „Erbarmen“ (furchtbar fesselnd)
Kaminer „Liebesgrüße aus Deutschland“, „Die Reise nach Trulala“ (witzig, erkenntnisreich)
Sarah Lark „Im Land der weißen Wolke“, „Das Gold der Maori“, „Im Schatten des Kauribaums“ (dicke Neuseeland-Schmöker, die mich an Stationen meiner Reise führten und eine Menge Geschichte, Liebe und Tragödien vereint)
Herrndorf „Tschick“(großartiges Jugendbuch, die Lektüre war längst überfällig)
Baltschew „Ein Jahr in Amsterdam“ (liebevolle Studie und vorbereitende Reiselektüre für nächste Woche!)
Hosseini „Drachenläufer“ (grausame Schicksale in Afghanistan, brilliant geschrieben, nachdenkenswert)
Lesen ist ja auch immer eine Reise. Entweder ich begebe mich träumend an bekannte und unbekannte Orte oder ich atme nach heftiger Lektüre auf und denke: Welch Glück, dass ich im Hier und Heute lebe und besonders als Frau nicht in einem anderen Jahrhundert an einem anderen Ort in die Welt kam.
BEWEGUNG
Es ist natürlich weder gesund für den Rücken noch für die Figur, ständig auf der Couch zu lümmeln. Deshalb versuche ich oft das Fahrrad zu bewegen oder zum Fitness zu gehen. Dabei musste ich Anfang des Jahres einsehen, dass man bei Glätte doch lieber das Auto nimmt und meine geprellten Körperteile eine Woche schonen. Und wenn man vormittags ins Fitness geht, trifft man schon mal auf eine Rentnertruppe, die zu deutscher Schlagermusik „Bauch-Beine-Po“ absolviert. Glaubt mir, unter letzterer Erfahrung habe ich mehr gelitten als nach dem Sturz mit dem Rad.
Rings um die Wohnung, in der ich meine Leseecke habe, erstreckt sich ein wildromantischer Garten, der mir wochenlange körperliche Ertüchtigung verschaffen könnte. Allein – ich hasse diese Arbeit und bekomme schon nach einer Stunde hässliche Rückenschmerzen. So beschränkt sich meine gärtnerische Tätigkeit auf
die Töpfe im Zimmer und auf dem Balkon.
KREATIVES
Ein Blick in die Stoffkiste und meinen Kleiderschrank brachte die Idee, sich ein Ganzes Jahr lang keine Kleidung mehr zu kaufen. Ich besitze zwar weniger als manch andere Frau, doch nach meiner zweimonatigen Reise mit wenig Garderobe wurde mir wieder mal bewusst, in welchem Überfluss und welcher Verschwendung wir leben. Wenn also die Sachen unmodern oder langweilig sind, so zerschneide ich welche und setze sie neu zusammen. Ringsum sind auch etliche
Kinder in Verwandtschaft und Bekanntschaft, für die man Geschenke nähen kann.
Für meine geplante Radtour von Magdeburg nach Hamburg benötige ich kleine, leichte Gastgeschenke, wenn ich bei wieder per Couchsurfing unterwegs sein will. Also schnitze ich fleißig alle anfallenden Avocado-Kerne.
Größere Geschenke aus Sandstein sind auch fertig geworden.
Geschenkverpackungen baue ich aus leeren Kartons. Die Idee ist geklaut und das nennt sich in der Fachsprache upcycling. Natürlich nicht das Klauen, sondern die Umarbeitung von Abfall. Dürft ihr gern nachmachen. Meine ersten Fotos gibt es hier.
ERZIEHUNG
Das Leben wartet immer mit Überraschungen auf. Seit längerer Zeit lebt in unserem Haushalt ständig ein pubertierender Teenager. Das Zusammenleben mit ihm und seinem Erziehungsberechtigten fordert mir äußerst viel Geduld ab. Da man in jeder Aufgabe etwas Positives finden kann: Es ist eine extreme Lehrerfortbildung. Teilnahme kostenlos, mit Übernachtung.
FAMILIE & FREUNDE
Es ist beglückend, dass ich mir viel Zeit nehmen kann, Verwandte und Freunde zu besuchen, meine studierenden Kinder zu treffen oder mit ihnen zu chaten. Einfach mal länger bleiben, ins Cafe´einladen, spontan bei Mama übernachten.
FERNSEHEN & KINO
Damit habe ich vor knapp zehn Jahren aufgehört und keinerlei Verlangen. Wenn ich mich dann doch mal neben einen Konsumenten setze und halbherzig den Tatort schaue, bleibt danach stets das gleiche Gefühl: ohne diese Sendung hätte ich rein gar nichts verpasst. Dann lieber ein Kinofilm.
Im November gab es ein Lachmuskeltraining bei „Fack ju Göhte“. Silvester habe ich mit meiner Mama und meiner Tochter gemeinsam „Belle und Sebastian“ in der Schauburg gesehen. Es gibt so viele gute Filme, dass man sich mittelmäßiges Fernsehen sparen kann. Leider nicht die GEZ.
KULTUR & KUNST
In der Dreikönigskirche war im Januar Lisa Morgenstern zu hören. Dunkle Texte und dunkle Musik, den Titel „Lieber Tod“ in einer Kirche zu spielen, war ein doppelt finsteres Erlebnis.
Im Februar durfte ich bei der Abschlussveranstaltung zum „Maria-Reiche-Projekt“ in der Oberschule Weixdorf dabei sein und wieder wunderbares Schülertheater erleben.
Sicher habe ich das Eine oder Andere, was mich die letzten Monate beschäftigt hat, hier nicht erwähnt. Trotzdem sollte die Langeweilefrage nun hinreichend beantwortet sein.