Nein, es ist noch nicht Silvester. Aber mein freies Jahr nähert sich seinem Ende.
Zwei Tage nach meiner Rückkehr aus Dänemark startete ich – diesmal planmäßig – Richtung Belgien zu einer langjährigen Freundin und ehemaligen Kollegin.
Mit einem guten Buch und etlichen Zwischenstopps schafft man es in ca. neun Stunden mit Flixbus von Dresden nach Köln. Beim Halt in Göttingen machte ich vor dem Bahnhof gleich zwei Entdeckungen. Ein kleiner, mit Luft gefüllter Kegel wies auf die Entdeckung des Zwergplaneten Ceres hin und die riesige Fahrradparkfläche auf junges, studentisches Leben. Wer aber nutzt wohl die neu eröffnete Fahrradwaschanlage?
Studenten, die meist knapp bei Kasse sind, doch bestimmt nicht. Die Pause war zu kurz, dies zu erforschen und weiter gings bis Dortmund, wo acht partybereite Jugendliche mit Migrationshintergrund zustiegen. Nach einem lustigen Schlagabtausch mit dem Busfahrer setzten sie sich neben mich und die älteren Damen ringsum. Kurz darauf amüsierten sie sich bereit herzhaft über unsere sächsische Sprache und versuchten ein paar Sprüche im gleichen Dialekt. Aber die Zeit bis Köln reichte leider nur fürs „nu“.
Nach einer Stunde Zugfahrt hatte ich es dann auch von Köln nach Aachen geschafft, wo ich von meiner Freundin und ihrer vierjährigen Tochter mit dem Auto abgeholt wurde, um die Grenze nach Belgien zu überqueren und eine halbe Stunde später in Eupen am Ziel zu sein.
Bereits im Auto bekam ich „Alle meine Entchen“ auf Französisch vorgesungen. Allerdings war ich mit „Alouette“ in Vorleistung gegangen. An den nächsten Tagen sollte ich noch oft Gelegenheit haben, die zweisprachige Erziehung zu belauschen. Ein besonderes Geschenk für einen halben Tag Babysitten waren gemixte Sätze wie:
Leg die Jacke in meinen voiture (Wagen).
Je veux (ich will) ein Brot.
Pegas (Pegasus) will in den jardin (Garten).
Ich bin aber fatigué (müde).
Als ich einmal abends ein französisches Kinderbuch vorlas, hörte die kleine Dame geduldig meiner Stotterei zu und bemerkte hinterher: Mein Papa kann das am besten vorlesen.
Sehr diplomatisch. Ich saß gern daneben und lauschte, wenn Vater und Tochter mit Playmobil in Rollenspiele vertieft waren und eine helle Kinderstimme so einen perfekte französischen Klang zauberte.
Im Kindergarten und der Schule, die ich auch besuchen durfte, wird jedoch Deutsch gesprochen, wie in der gesamten deutschsprachigen Gemeinde nahe der Grenze.
Beim Bäcker und im Finanzamt kann man sich die Sprache aussuchen und bei letzterem auch gleich mit seinen Belegen anrücken und die Steuererklärung vom Beamten ausfüllen lassen.
Typisch belgisch ist noch die Schokolade, wovon ich mich in der Chocolaterie Jacques in Eupen überzeugen konnte. Ein kleines Museum und gläserne Produktion waren sehr einladend. Zur Eintrittskarte gabs gleich Schokolade und unter all den Maschinen und Automaten natürlich sächsische Wertarbeit. Auch in Dresden gefertigtes Gerät war ausgestellt!
Frites (Pommes) und Kriek (Kirschbier) habe ich bei unserem Ausflug nach Liège (Lüttich) genossen und damit zwei weitere kulinarische Spezialitäten getestet. Lecker! Neben historischen Bauten in der Stadt an der Maas war das moderne, überdimensionierte Bahnhofsgebäude eine wahre Überraschung für mich.
Interessant waren vor allem aber die vielen Fachsimpeleien über Schulpolitik in Sachsen und NRW, wo meine Freundin als Grenzgängerin arbeitet und mehr Zuwanderer als Deutsche unterrichtet. Interessant auch, mit welchen Konflikten sich ihr Partner als Polizist in Brüssel befassen muss. Und dieses Thema brachte uns dann irgendwie zur Musik und zu Stromae, den ich bisher als Franzosen wähnte, der aber einer der bekanntesten belgischen Musiker ist.
Schließlich verbrachte ich noch einen halben Tag in Aachen, welches ich erstmals besuchte und mir mit tausenden Pilgern teilen musste.
Auf der Rückreise landete ich schon früh Viertel Sieben in Köln und war erstaunt, dass Rossmann auf dem Bahnhof bereits geöffnet hatte. Mit einem heißen Tee und frischem Gebäck sowie zwei neuen Büchern trat ich die Heimfahrt im Bus an.
Schön wars wieder und Bilder gibts hier.