Im Moment passiert soviel Neues gleichzeitig, dass ich mich in jedem zukuenftigen Blog nur einem Thema widmen will. Ich hoffe, das gelingt mir. Nun also die Eckdaten zu meiner neuen Bleibe.
Ich bin ueber Empfehlung eines Kollegen in einer 3er-WG im Zentrum eingezogen. Dort habe ich das Zimmer eines Ukrainers uebernommen, habe ein eigenes Bad und teile mir die uebrige Wohnung mit Caro und Sophia, zwei jungen Bolivianerinnen. Entgegen meiner Erwartung, nun viel Spanisch sprechen zu muessen, beschraenken beide den Kontakt mit mir auf das Noetigste. Vielleicht liegt es auch an meinem kargen Spanisch, oder ich bin ihnen einfach zu alt.
Dafuer hat mich Hauskatze Frida in ihr Herz geschlossen und verfolgt mich staendig.
Ich mag Tiere in der Wohnung ueberhaupt nicht, aber schliesslich bin ich der Eindringling in IHRER Behausung.
Auf den Fotos bei Airbnb sah die Wohnung schick und einladend aus, mein Vermieter war super nett und hat mir sogar seine ganzen LEBENsmittel ueberlassen… Die lebten allerdings!
Es hat mich grosse Ueberwindung gekostet, die Motten und Kaefer samt Essen aus den Schraenken zu kratzen, obwohl ich meinte, mit Schmutz nicht besonders empfindlich zu sein. Dazu alles voller Hunde- und Katzenhaare (hier wohnt sonst noch ein Hund). Ausserdem ist es hier ueblich, das Toilettenpapier nicht in der Toilette, sondern im extra Eimer daneben zu entsorgen.
Durch die Hitze (30 Grad und mehr) und hohe Luftfeuchtigkeit (bis 90 Prozent, alles fuehlt sich klebrig an) vermehren sich Muecken, Ameisen und alle Tierchen sehr leicht. Meine Mitbewohnerinnen haben die ekelhafte Kueche nur mit einem Schulterzucken und der Bemerkung, es sei hier eben heiss, da gaebe es viele Tiere, kommentiert.
Wenn ich euch zeigen koennte, wie schick und gestylt die beiden stets das Haus verlassen…
Das unterscheidet mich von den Chicas. Ich geh in Dresden ungeschminkt und in Jogginghose zum Baecker, aber meine Kueche ist sauber. Noch denke ich darueber nach, ob mir ein bisschen bolivianische Sichtweise guttun wuerde. Deshalb habe ich beschlossen, die Herausforderung anzunehmen und bis Maerz in der WG durchzuhalten.
Eine Klimaanlage habe ich hier nicht, die Fenster sind einfach immer offen, es ist laut, aber im vierten Stock ist die Luftzirkulation besser als in den Strassen, wo der laute und stickige Verkehr rollt. In Santa Cruz wohnen mehr als 1,5 Millionen , es ist die groesste und am schnellsten wachsende Stadt in Suedamerika. Entsprechend chaotisch sieht es aus, weil Strassenbau und Muellentsorgung nicht hinterherkommen. Ich wollte eine fremde Kultur erleben. Nun stecke ich mittendrin und muss es auch lernen, Schmutz und Verfall zu ertragen. Dabei gehoert meine Unterkunft durchaus zum gehobenen Standard, was Lage und Ausstattung betrifft.
Gestern war ich bei einer Kollegin im Condominio (bewachte Wohnanlagen heissen hier so). Das ist der pure Luxus, Dachterrasse mit Pool usw.
Die meisten Deutschen und die superreichen Bolivianer leben hier in einer „Blase“, einer Parallelwelt, die mit dem normalen Standard der unteren Bevoelkerungsschicht nicht zu vergleichen ist. Zehn Minuten zu Fuss sind es bis zum zentralen Platz des 24. September. Auf dem Weg dorthin sitzen etliche Bettler im Schmutz und in der Hitze. Frauen, die Kinder stillen, schlafende Kinder auf dem Schoss haben oder etwas verkaufen wollen, was ich nicht essen kann, wenn ich gesund bleiben will. Daneben sind Gebaeude grosser Banken in den Himmel gewachsen und du kannst dir Handys oder Schuhe kaufen, die die Jahresmonatsmiete eines armen Bolivianers uebersteigen.
Trotz dieser extremen Unterschiede zwischen Arm und Reich, fuehle ich mich hier relativ sicher. Gestern bin ich abends allein durch mein Viertel nach Hause gelaufen, natuerlich nicht, ohne einige Sicherheitsvorkehrungen zu beachten.
Jetzt merke ich, wie schwer es ist, beim Thema zu bleiben, aber sehr weit habe ich mich ja nicht von meiner Wohnung entfernt.
Wenn ihr euch ueber die seltsame Schreibweise wundert, so liegt das an der spanischen Tastatur des Schulcomputers, an dem ich gerade sitze. Im Spanischen gibt es keine Umlaute und das szet auch nicht. Hier noch die Erklaerungen zu den Fotos : 1 ist Wohnzimmer, 2 mein Zimmer.
Die Schule ist nun schon etwas weiter entfernt und wird sicher das Thema des naechsten Posts. Am Montag beginnt hier das neue Schuljahr, die Sommerferien sind heute zuende.