Abschlussprüfungen

Bolivien hat mich mit offenen Armen empfangen. Wie wird es mich verabschieden? Vorab sei verraten, dass auch die Rückreise spannend und voller Überraschungen war.
Die Sicherheitskontrolle auf dem Flughafen in landestypischem Stil lässt gefüllte Getränkeflaschen und Obst anstandslos durchgehen.
Christianes kleines Taschenmesser wird jedoch zwischen den Haarspangen entdeckt und konfisziert. Der Beamte wartet geduldig, bis er meint, sie würde ihn nun nicht mehr im Blick haben und gehen und … steckt  die Beute heimlich in seine Gesäßtasche. Da wird der Sohn sich am Abend sicher über das Mitbringsel freuen. Meine Freundin sieht es gelassen als nette Episode. Hatte sie doch versäumt, dass Messerchen ins Aufgabegepäck zu stecken. So macht es einem Menschen Freude und unser Verlust ist wirklich gering.
Nächste Station sind Männer in Militäranzügen, die durch Anheben das Gewicht unseres Handgepäcks ermitteln. Danach wird jeder zu einer anderen Nummer geschickt und ein weiterer durchgräbt ohne Schutzhandschuhe den Rucksack. Sie reden auf meine Freundin ein, die kein Wort Spanisch versteht und konsequent die Schultern zuckt. Ich darf nicht auf sie warten und übersetzen, sondern muss sofort um die Ecke weiterlaufen. Nach einer Weile kommt sie nach und meint, die hätten ihr ein Schild gezeigt, aber dann aufgegeben, weil sie nix verstanden hat. Wir haben keine Ahnung, was das bedeuten soll und wonach sie suchen. Unser Gepäck wurde ja bereits durchleuchtet. Jetzt kommt die Passkontrolle. Christianes Visum ist einen Tag abgelaufen. Das ist kein Verbrechen, aber es kostet Strafe.  Das spanische Wort dafür ist multa und es befindet sich seit Monaten in meinem aktiven Wortschatz. Da ich in Bolivien viermal auf dem Einwanderungsamt war, dort etliche Stempel bekommen und natürlich auch schon ordentlich multa bezahlt habe, wähne ich mich jetzt in Sicherheit. Doch weit gefehlt! Obwohl mein Visum bis Anfang Juni verlängert wurde, versucht mir der Beamte klarzumachen, dass ich nach meiner Wiedereinreise von Argentinien schon länger als einen Monat in Bolivien bin und bei diesem Stempel das Touristenvisum hätte verlängert werden müssen. Ich frage nur „multa?“ und als er es bejaht und ein Formular herausholt, laufe ich zu Höchstform auf. Jetzt packe ich mein gesamtes Spanischvokabular aus. Zuerst erkläre ich ihm pathetisch, wie oft ich auf der Imigration war und wie wahnsinnig viel multa ich bezahlen musste. Dann schiebe ich hinterher, dass Bolivien ein wunderbares Land ist und tolle Menschen hat. Aber die Imigration sei zu kompliziert. Er meint, es sei nicht seine Schuld und ich gebe ihm mit viel Zustimmung recht. Er telefoniert, tippt in den Computer, steht auf und geht. Christiane schaut mich an und ich gebe in Kämpferlaune bekannt, dass ich das Spiel diesmal gewinnen will. Der nette Beamte lässt mich in die Kamera schauen, macht das Foto und winkt mich durch.
SIEG! Einen schöneren Abschluss meiner letzten Spanischstunde hätte ich mir nicht wünschen können. Ein wenig wie eine mündliche Abschlussprüfung war das. Unter realen Bedingungen. Bestimmt mit vielen Grammatikfehlern, aber bestanden.
Endlich Boarding. Denken wir. In der Gangway, direkt vor der Flugzeugtür müssen wir uns plötzlich alle links in einer Reihe aufstellen und stehenbleiben. Die Handgepäckstücke an die
gegenüberliegende Wand stellen und dann geht es hektisch los mit der Suche. Kommissar Rex bekommt das deutsche Kommando „Such!“ und stürzt sich auf Kabinenkoffer, Rucksäcke und Handtaschen. Eine hat es dem völlig verstörten Schäferhund besonders angetan. Es sieht aus, als wolle er sie zerfleischen und der Hundeführer zerrt das wilde Tier mit aller Kraft weg. „Such, such“ hören wir immer wieder und ich erkläre der Bolivianerin neben mir, dass der Spürhund offensichtlich in Deutschland ausgebildet worden ist. Sie meint nur „Das arme Tier. Evo (Morales, Boliviens Präsident) würde ohne Kontrolle ins Flugzeug kommen.“ Ohne Korruption und
Drogengeschäfte läuft nichts im Land, das ist hier jedem klar.
Unser Flieger startet pünktlich, der Umstieg in Madrid funktioniert auch super und als wir fröhlich in Düsseldorf am Gepäckband stehen, kommt da ein seltsames Teil auf dem Rollband auf uns zu. Es ist mein Koffer. Aufgeplatzt und wild mit Klebeband umwickelt hebt er sich gut erkennbar von allen anderen ab. Vielleicht ist noch alles drin? Prüfen kann ich das jetzt nicht, denn das Teil muss ich noch mit der Bahn bis nach Hause transportieren. Also machen wir eine Schadensanzeige. Ich bekomme eine Nummer und eine Internetadresse der Fluggesellschaft. Natürlich auf Spanisch.
Der mündlichen Prüfung wird also mindestens eine schriftliche folgen.
Zuvor noch ein kleiner mündlicher Test, denn die Website funktioniert nicht und so werde ich die Fluggesellschaft anrufen müssen.

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